Rechtsanwalt Arne Timmermann   Fachanwalt für Strafrecht

Strafverteidigung

In dem heutigen gesellschaftspolitischen Klima bedeutet Strafverteidigung einen permanenten Kampf aus der Defensive. In der Hysterie vor Terror und Verbrechen werden Bürger- und Beschuldigtenrechte eingeschränkt und abgebaut, Straftatbestände erweitert und Strafrahmen erhöht.

Die Durchsetzung von Verteidigungsrechten sowie eines effektiven Schutzes des Betroffenen vor Strafverfolgung trifft auf großen Widerstand und ist auch in der öffentlichen Wahrnehmung von Strafprozessen nicht gerne gesehen.

In Umkehrung der verfassungsrechtlich gewährten Unschuldsvermutung gilt in der Praxis leider viel zu häufig der Grundsatz „Guilty until proven innocent“ (Schuldig bis zum Beweis der Unschuld).

Strafverteidigung ist deshalb ein fortdauernder Kampf mit allen gesetzlichen Möglichkeiten gegen den Strafanspruch des Staates. Gefordert ist hier nicht der willfährige "Verurteilungsbegleiter", sondern der engagierte Verteidiger der Interessen des Mandanten.

Die folgenden Tipps sollen Betroffenen vor der - möglichst umgehend vorzunehmenden - Beauftragung eines Verteidigers eine "Hilfe zur Selbsthilfe" geben. Sie ersetzen jedoch keine individuelle Rechtsberatung, die jeweils nur gezielt auf den Einzelfall durch den Strafverteidiger geleistet werden kann.


Wann benötigt man einen Strafverteidiger?

Weit verbreitet ist nach wie vor die Ansicht, einen Strafverteidiger benötige man erst nach Zustellung einer Anklageschrift oder gar in der Hauptverhandlung vor Gericht. Dies ist jedoch falsch. Nur die Einschaltung eines Strafverteidigers bereits im Ermittlungsverfahren gewährleistet eine effektive Verteidigung. Gerade die grundlegenden Fragen, die sich naturgemäß am Anfang eines Ermittlungsverfahrens stellen, können das gesamte weitere Verfahren entscheidend beeinflussen:


Wie verhalte ich mich im Fall einer polizeilichen Vorladung?

Muss ich eine Durchsuchung dulden und welche Rechtsmittel stehen mir zu ? Schadet oder nützt mir eine Aussage im Ermittlungsverfahren ? Generell gilt: Eine Aussage des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren, der keine Beratung mit einem Strafverteidiger vorangegangen ist, schadet dem Betroffenen in der Regel weit mehr, als sie ihm nützt. Sie kann das gesamte weitere Verfahren (zum Nachteil des Beschuldigten) prägen. Gerade im Falle der vorläufigen Festnahme, der Anordnung von Untersuchungshaft, aber auch schon bei einer Vorladung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft ist deshalb die unverzügliche Rücksprache mit einem Strafverteidiger notwendig.

Nach dem Gesetz ist der Beschuldigte nur zur Angabe seiner Personalien verpflichtet. Ansonsten sollte der Beschuldigte unbedingt von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Dies schließt Angaben zu eventuellen Kontakten zu möglichen weiteren Beschuldigten, Auskünfte zu den eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie Angaben zur persönlichen Lebensplanung (Umzug, Urlaub, Arbeitsplatz) ein. Schon oft haben unbedachte Äußerungen in diesen Bereichen unversehens zu unerwarteten Folgen (Inhaftierung!) geführt, weshalb dieser Ratschlag unbedingt beachtet werden sollte. Im Falle einer Durchsuchung sollte sich der Beschuldigte den Durchsuchungsbeschluss – soweit vorhanden – aushändigen lassen. Zur Unterschrift unter irgendwelche Dokumente - zum Beispiel Sicherstellungsprotokolle - ist der Beschuldigte nicht verpflichtet.

Ratsam ist es, soweit möglich, bereits zur Durchsuchung den Strafverteidiger hinzuzuziehen.


Verhaltenstipps im Falle der Festnahme

Im Falle einer vorläufigen Festnahme beziehungsweise eines Haftbefehls sollte ebenfalls ohne Rücksprache mit einem Strafverteidiger keinerlei Angaben zur Sache erfolgen.
Dies bedeutet konkret, außer zu den eigenen Personalien (Name, Meldeanschrift, Geburtsdatum und Geburtsort) überhaupt nichts zu sagen. Auch das Bestreiten eines Vorwurfs, der Hinweis auf mögliche Zeugen oder ähnliches ist bereits eine Aussage zur Sache!

Der Beschuldigte sollte umgehend verlangen, einen Strafverteidiger zu sprechen. Entweder wird der Verteidiger direkt kontaktiert oder der Beschuldigte lässt Familienangehörige oder Freunde unverzüglich einen Verteidiger benachrichtigen. So schlimm es klingen mag:
Besser eine Nacht im Polizeigewahrsam zubringen, als eine sofortige Freilassung mit einer (vermeidbaren) späteren Verurteilung zu bezahlen! Entsprechenden "Verlockungen" von Vernehmungsbeamten ("Wenn Sie jetzt eine Aussage machen, kommen Sie sofort frei!") sollte der Beschuldigte deshalb nicht vor der Rücksprache mit einem Verteidiger nachgeben.


Wie verhalte ich mich bei einer Festnahme im Rahmen einer Demonstration?

Wie bei jeder Festnahme gilt im Falle einer Festnahme auf einer Demonstration ganz besonders: Ruhe bewahren!

Soweit möglich, sollte anderen Demonstrationsteilnehmern der Name und das Geburtsdatum des Festgenommenen mitgeteilt werden. Die anderen Demonstrationsteilnehmer -und natürlich auch der Betroffene soweit möglich- sollten sodann den "Ermittlungsausschuss" anrufen. Der Ermittlungsausschuss wird von engagierten Menschen selbstorganisiert betrieben und ist bei Demonstrationen und Aktionen in der Regel besetzt. Der Ermittlungsausschuss arbeitet mit politisch engagierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zusammen und sorgt im Falle von Festnahmen oder Polizeiübergriffen für anwaltliche Betreuung der Betroffenen.

Die Telefonnummer des Ermittlungsausschusses Hamburg lautet:

(040) 43 27 87 78

Siehe auch die Website des Ermittlungsausschusses Hamburg


Gegen Sie wird wegen eines Sexualdelikts ermittelt - was tun?

Der Vorwurf, eine Vergewaltigung oder einen sexuellen Missbrauch begangen zu haben, bedeutet für den Beschuldigten oft einen Kampf gegen die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz, seiner Familie oder Ehe und seines Rufes.

Auch wenn Sie als Beschuldigter Ihre Unschuld beteuern, denken Sie immer daran, dass vor Gericht keineswegs immer die Wahrheit ermittelt wird. Der Satiriker Dieter Hildebrand hat völlig zutreffend den Satz geprägt:

"Es reicht nicht, Recht zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen!"

Gegen den Vorwurf einer Sexualstraftat ist die Verteidigung zum Schutz der Beschuldigtenrechte und zum Kampf um ein rechtsstaatliches Verfahren besonders gefordert, sieht sich der Mandant doch häufig einer unerträglichen Vorverurteilung ausgesetzt.

In kaum einem Bereich des Strafrechts wirken sich die zur Stärkung der "Opferrechte" neu geschaffenen StPO-Vorschriften so nachhaltig zum Nachteil des Beschuldigten aus. Insbesondere in Sexualstrafsachen findet zudem häufig eine gezielte Einflussnahme von "Opferschutzorganisationen" auf das Ermittlungsverfahren und die Hauptverhandlung statt.

Was bedeutet dies für den Beschuldigten ?

  • Schalten Sie unverzüglich nachdem Sie von dem gegen Sie erhobenen Vorwurf Kenntnis erlangt haben einen auf Sexualstrafsachen spezialisierten Strafverteidiger/eine Strafverteidigerin ein! Machen Sie ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem Verteidiger/Ihrer Verteidigerin keinerlei Angaben gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft! Sie sind lediglich verpflichtet, sich auszuweisen (§ 111 OwiG), und sind gut beraten, kein Wort mehr zu sagen. Unterschreiben Sie nichts!
  • Behalten Sie die Nerven, auch wenn Ihnen der Vorwurf noch so abstrus erscheint und Sie meinen, ihn durch eine (vor-) schnelle Aussage aus der Welt schaffen zu können.
  • Lassen Sie sich auch durch Drohung mit einer Zuführung zum Haftrichter nicht einschüchtern. Verlangen Sie, sofort Ihren Anwalt anrufen zu dürfen. Wenn Sie keinen Strafverteidiger kennen oder dieser nicht erreichbar ist, so verlangen Sie, den anwaltlichen Notdienst in Strafsachen (in Hamburg 24 Std. erreichbar: 0171-610 59 49) anrufen zu dürfen!
  • Sollte Untersuchungshaft gegen Sie angeordnet werden, haben Sie das Recht auf einen Pflichtverteidiger (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO). Diesen können Sie sich selbst aussuchen. Der Richter bestellt einen Ihnen unbekannten Anwalt nur dann, wenn Sie oder Ihre Freunde/Familie keinen benennen.

Die sachgerechte und konfliktbereite Verteidigung in Sexualstrafsachen setzt die Kenntnis der prozessualen Besonderheiten dieser Verfahren sowie der einschlägigen Rechtsprechung voraus. Ein auf das Sexualstrafrecht spezialisierter Verteidiger/Verteidigerin muss sich zudem mit aussagepsychologischen Gutachten (Glaubwürdigkeitsgutachten) auskennen, da diese in Vergewaltigungs- oder Missbrauchsverfahren besonders häufig eingeholt werden und oft entscheidende Bedeutug für die Urteilsfindung des Gerichts haben.

Zu den Kernpunkten einer Verteidigung in Sexualstrafsachen gehören deshalb:

  • die Verteidigung mit und gegen ausssagepsychologische Gutachten ("Null-Hypothese" gem. BGHSt 45, 164) sowie die Kenntnis neuerer Entwicklungen in Aussagepsychologie und dazu ergangener Rechtsprechung
  • die Kenntnis der Voraussetzungen der Bestellung eines weiteren Gutachters (§ 244 Abs. 4 S. 2 StPO)
  • die Erfahrung mit der besonderen Problematik potentiell suggestiver Aussagen bei Massenbeschuldigungen in Missbrauchsverfahren
  • der Umgang mit Videovernehmungen durch die Polizei und deren Einführung in die Verhandlung
  • Die Kenntnis von Verteidigungsstrategien bei "Aussage-gegen-Aussage-Situationen".
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Scheuen Sie sich nicht, Ihren Anwalt nach entsprechenden Erfahrungen auf dem Gebiet der Verteidigung in Sexualstrafsachen zu fragen. Sie haben das Recht auf eine fachkundige, engagierte und effektive Verteidigung Ihrer Rechte!

Der Autor referiert bundesweit auf Fortbildungsveranstaltungen des RAV zum Thema "Verteidigung in Sexualstrafsachen"


Wie finde ich eine Strafverteidigerin/einen Strafverteidiger?

Die jeweils örtliche Rechtsanwaltskammer kann Ihnen einen Fachanwalt für Strafrecht in Ihrer Nähe nennen. In vielen Großstädten gibt es darüber hinaus einen "Anwaltlichen Notdienst für Strafsachen", für den außerhalb der üblichen Bürozeiten, auch zur Nachtzeit, strafrechtlich versierte Anwälte tätig sind. Für den Fall einer Festnahme sollte gegenüber der Polizei darauf gedrungen werden, den anwaltlichen Notdienst anrufen zu können. Die entsprechenden Telefonnummern sind bei der Polizei bekannt. In Hamburg erreicht man den von der Arbeitsgemeinschaft der Strafverteidiger organisierten "Anwaltlichen Notdienst in Strafsachen" sieben Tage die Woche, Tag und Nacht unter folgender Telefonnummer:

(0171) 61 05 949

Bitte beachten Sie, dass es sich ausdrücklich um eine "Notrufnummer" handelt, die nur in Fällen dringender, nicht aufschiebbarer, Beratung in Strafsachen angewählt werden sollte. Die Rechtsanwälte, die diesen Hamburger Notdienst sicherstellen, tun dies ehrenamtlich neben ihrer eigentlichen Kanzleitätigkeit.

Eine andere Möglichkeit, eine Strafverteidigerin oder einen Strafverteidiger zu finden, ist die Recherche in der Datenbank von Anwalt.de.